Liebe Freunde des OSM,
es gibt doch für einen Schriftsteller, noch dazu einen Phantastik-Autor wie mich, kaum etwas so Interessantes wie den Kontakt mit den Lesern. Denn naturgemäß bin ich kein Telepath, und der Leser ist demgemäß ein unbekanntes Wesen. Was denkt der Leser über die Inhalte, die ich erschaffe, das hat durchaus einigen Einfluss auf das, was künftig im E-Book-Format entsteht. Infolgedessen gibt es kaum eine Frage, die wichtiger ist, als eben jene: Was denkt der Leser?
Jüngst hatte ich eine schöne Begegnung mit einem Leser, mit dem ich abendlich ein wunderbar ausführliches Gespräch führte… der Wirt des Lokals, in dem wir uns getroffen hatten, musste uns schließlich freundlich vor die Tür geleiten, weil wir kein Ende fanden, um die Wahrheit zu sagen. Eine schöne Erfahrung, dieser Abend. Und zugleich führte das Gespräch zu eine interessanten Neubewertung der bisherigen Leserkommentare, die ich schon auf anderem Wege via Mail und Brief erhalten hatte.
Früher, z. T. nur Wochen zuvor, hatte es schon Leserkritik gegeben, die mal die Düsternis mancher Handlungslösungen kritisiert hatte, dann wieder solche, die sich darüber monierte, es gäbe einen gewissen Hang zu „herablassenden Monologen“ oder zu häufiger Wiederholung von bekannten Sachverhalten.
Dieses abendliche Gespräch aber ging auf höchst interessante Weise einen anderen Pfad und verdutzte mich doch nicht eben wenig.
Natürlich kam auch hier die Sprache auf gewisse „Längen“ in den veröffentlichten Episoden der Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ (TI), doch war das durchaus nicht das Interessanteste. Ich wurde vielmehr gelobt wegen des Shonta-Handlungsstranges (Lesestand war Band 19 der Serie, „TRANCRAN-4462“) – und zwar deshalb, weil es hier ausdrücklich um „eine neue Form der Moral“ gegangen sei, die das Übliche, was der Leser erwarte, transzendiert habe.
Ich war doch positiv überrascht, warum soll ich das leugnen?
Dann jedoch kam – ich hätte es ahnen sollen – der kritische Nachschlag. Sinngemäß lautete er etwa so: „Das ist jetzt so weit in der Zukunft… und eine fremde Galaxis, ein unbekanntes Sternenvolk… und was findet man dann da? Draufgängerische Raumfahrer und schöne Frauen… und kaum kommen sie zusammen, da redet er sie auch schon mit ‚Schatz‘ an… also, das ist ja ganz wie bei uns!“
Da war er dann, der Romantikfaktor.
Und hier und heute darf ich verraten, dass der nicht ohne Grund existiert. Es ist nun, weil eben gerade kritisiert, vielleicht an der Zeit, darüber ein wenig ausführlicher zu schreiben.
Der Romantikfaktor gehört gewissermaßen zu den „Kochrezepten“ der Schriftstellerei, warum sollte man das leugnen? Wenn man aufmerksam und viel liest, taucht er fast überall auf. Der Autor mag eine packende Story haben, faszinierende Welten und Settings, draufgängerische Protagonisten… aber viele Leser empfinden solche Geschichten dann dennoch irgendwie als unvollkommen, wenn ihnen ein gewisser Aspekt völlig fehlt.
Der Romantikfaktor, also genau genommen: zwischenmenschliche Emotionalität, ist gewissermaßen eine Art von Kitt, der es dem Autor erlaubt, eine Brücke zwischen den Protagonisten der Geschichten einerseits und den Herzen der Leser andererseits zu erschaffen. Es mag vielleicht banal klingen, möglicherweise auch kitschig, aber es ist durchaus essentiell: ohne die starke Emotionalität, die sich besonders in Liebesbeziehungen zwischen den Handlungsakteuren der Geschichten ausdrückt, fällt es manchem Leser schwer, Anteil an dem Schicksal der Personen zu nehmen.
Im frühen OSM, um mal ein wenig historisch zu werden, war der Romantikfaktor etwas, was ich vollständig links liegen ließ. Damals, in den frühen Episoden der Serie des Oki Stanwer Mythos, waren mir Liebesgeschichten völlig schnuppe. Personen traten nahezu ausschließlich funktional in Erscheinung, und die Folge war… na ja, ständiger Mord und Totschlag wäre zu hart gesagt. Aber es gab doch nicht wirklich die Möglichkeit seitens der Leser, Gefühle für die Personen zu entwickeln, die ja selbst eher schematisch und holzschnittartig erschaffen wurden.
Als ich mit dem Schreiben weiter voranschritt und dann ab Anfang der 90er Jahre immer mehr merkte, dass meine Protagonisten so etwas wie ein Liebesleben hatten, so etwas wie ein Familienleben gar, da beeinflusste das notwendig auch die Geschichteninhalte immer stärker.
Spätestens in dem Moment, in dem ich dann mit hoch emotionalen Autoren wie Diana Gabaldon zusammenprallte und den sehr emotionalen Archipel schreibtechnisch zu erforschen begann, stellte ich dieses Defizit auf krasseste Weise in meinen frühen Geschichten fest und dachte mir: Verdammt, so kannst du das aber wirklich nicht lassen. Diese Eindimensionalität will doch keiner lesen!
Ende des Jahres 2003 erschien dann, wie ihr wisst, die Galaxis Twennar auf meinem kreativen Radar, der Handlungsort für den KONFLIKT 2 des Oki Stanwer Mythos. Und die Yantihni.
Ein Volk von Romantikern, von Schwärmern, von naiven Suchenden, die mit großen Erwartungen ins All aufbrechen und mit kindhafter Neugierde fremde Völker erkunden wollen.
Hier war es völlig unumgänglich, dass sich der Romantikfaktor in massivster Weise durchsetzte.
Mir war außerdem dann, als ich 2012 begann, mein E-Book-Programm zu planen, folgendes völlig transparent: Wenn ich meinen Lesern, euch also, dieses gigantische Gebilde des Oki Stanwer Mythos nahebringen wollte, dann konnte das nicht in der bislang so unterkühlten Form geschehen, in der ich fünfzehn Jahre lang geschrieben hatte. Es ging hier auch ganz zentral um Leserakzeptanz.
Und wie macht man jemandem ein riesenhaftes Leseabenteuer schmackhaft, das per se hohes Abschreckungspotential besitzt? Auch dies haben gelegentliche frühere Leser durchaus schon kommuniziert.
Nun, ich entschied mich dafür, zwei Ratschläge bereitwillig anzunehmen, wohl wissend, dass sie die Arbeit ordentlich erschweren würden.
Ratschlag 1: Portioniere die Informationsdosis. So hoch, wie sie bislang in den Episoden ist, überforderst du die Leser ziemlich fix.
Dies führte dann zur Entwicklung und Einrichtung der OSM-Wiki auf meiner Homepage, die sehr gut angenommen wird und in stetem Wachstum begriffen ist.
Ratschlag 2: Schaffe eine emotionale Verbindungsbasis zwischen den Protagonisten und den Lesern.
Ihr seht unschwer, dass dies genau auf die Realisierung des Romantikfaktors hinausläuft… und hier hatte ich, bezogen auf die Serie „Oki Stanwer und das Terrorimperium“ natürlich einen unleugbaren Vorteil: die Yantihni waren von Anbeginn an hoch emotional. Liebesbeziehungen zwischen etwa Raumpiloten und Linguistinnen (Yerranith und Vaniyaa) oder Sternenforscherinnen und Raumpiloten (Nayeen und Alyechin) bzw. zwischen Sternenforschern (Sianlee und Vhentar) waren durchaus völlig normal.
Dieser Effekt setzte sich dann auch bei fremden Völkern fort (vgl. Xiiyin-Cuhn und seine Yiloy-Naayid)… und ich sage nicht, wo das noch seinen weiteren Raum finden wird, das werdet ihr beizeiten herausfinden.
Ich als Romantiker halte die Liebe für eine Konstante, die durchaus universal zu sehen ist, und gelegentlich kann sie eigenartige Auswüchse erfahren – wie etwa im Fall von Vaniyaa und den Shonta. Letzteres ist allerdings explizit nicht der Normalfall, das sagte ich an diesem Abend auch. Die arme Vaniyaa, die sich so unendlich grämt und nach ihrem geliebten Yerranith verzehrt, ist ein tragischer Charakter.
Und ich bekämpfte in dieser Diskussion dann auch ausdrücklich den Gedanken, der aufkam, ich habe in diesem Kontext bei Vaniyaa so maßlos übertrieben. Nein, das fand ich durchaus nicht. Ja, es mochte manisch wirken, dass sie so unverbesserlich darauf hoffte, ihre Gefährten – namentlich Yerranith, natürlich – aus den „Sargkolonnen“ befreien zu können. Aber ich fand das äußerst verständlich.
Man realisiere die Lage: sie fand sich nach Monaten, räumlich und zeitlich desorientiert, splitternackt und physiologisch auf erschreckende Weise verwandelt, in der Gemeinschaft schwarzer Zwergenwesen wieder, die sie zu ihrem Befremden als „Heiligtum“ oder „Göttin“ anhimmelten.
Sonst war sie völlig alleine.
„Dass sie auf so etwas in der Akademie nicht vorbereitet worden ist…!“, wurde mir vorgehalten, und ich fand den Vorwurf wirklich unpassend. Auf solch eine Situation KANN man nicht vorbereitet werden. In den besten Universitäten würde man eine Linguistin auf derlei Momente nicht vorbereiten können.
Und Vaniyaa, um bei diesem Beispiel zu bleiben, weil das auch in der Diskussion so breiten Raum einnahm, ist nun einmal zentral eins: einsam. Und je länger sie mit den Shonta um Abenteurerherz durch die Tiefen des MINEURS zieht, desto deutlicher wird ihr bewusst, dass sie vermutlich NIE WIEDER einen Yantihni sehen wird. Dass alles, was ihr bisheriges Leben ausmacht, sich restlos in Nichts verflüchtigt hat.
Ich meine, das ist der Stoff, aus dem der Wahnsinn ist, nicht wahr? Ich würde das nicht mit gesundem Verstand überstehen, ganz gewiss nicht.
Wen wundert es, dass sie sich dann verzweifelt an die Hoffnung klammert, irgendwen von ihren Kameraden retten zu können? Wen überrascht es, dass sie mental so völlig am Ende ist, als es am Schluss von Band 19 misslingt?
Das ist dann die bittere, finstere Seite des Romantikfaktors – die Schwärze der Seelenverzweiflung. Und auch sie gehört zum Oki Stanwer Mythos, auch sie ist essentiell notwendig.
Es ist eine Schriftstellerweisheit, dass man nur mit den Personen mitleiden kann, zu denen man zuvor eine emotionale Beziehung aufgebaut hat, die man mit all ihren Schrullen und Eigentümlichkeiten kennen gelernt hat. Man mag sich, beispielsweise, über die ruppige Art und Weise eines gewissen Wissenschaftlers Noshtoy echauffieren, selbstverständlich… aber schließlich sieht man als Leser, dass er tief unter der rauhen Schale einen weichen, empfindsamen Kern besitzt.
Und im optimalen Fall beginnt man diesen Sonderling zu verstehen, ihn in Maßen sympathisch zu finden und so zu mögen, wie seine Soziologenkollegin Yasaari das schließlich tut.
Dies alles sind verschiedene Ausprägungen des völlig mit Absicht eingearbeiteten Romantikfaktors.
Da aber nun einmal die Yantihni sehr menschenähnlich sind und ich beizeiten erzählen kann, inwiefern die Yantihni eine Verbindung zu unserer heutigen Menschheit besitzen, da sollte man mir also nachsehen, wenn ich die Yantihni von ihrer emotionalen Ausstattung her so sehr ähnlich beschreibe, wie ich es mit menschlichen Protagonisten tue.
Wenn es ein gedanklicher Baufehler sein sollte, in Geschichten seine Handlungspersonen als emotional empfindende Wesen darzustellen, um den Lesern besser den Zugang zu ihnen zu ermöglichen und zugleich die komplexen Inhalte des Oki Stanwer Mythos genießbarer zu machen, dann nehme ich diesen Vorwurf gern zur Kenntnis – ich denke allerdings, dass nur eine Minderheit von euch Lesern gern emotionslose Actionabenteuer von Kerlen hart wie Stahl lesen möchte, die ohne Gewissen kämpfend und mordend durch die Seiten der E-Books marodieren.
Nein, so etwas werdet ihr im modernen OSM sicherlich nicht finden. Der Romantikfaktor wirkt dann durchaus auch auf der Gegenseite… wie genau? Ach das werdet ihr noch sehen, meine Freunde. Für heute jedoch danke ich euch für die Neugierde und Aufmerksamkeit und schließe den Blogartikel für den Moment.
In einer Woche sehen wir uns hier wieder, dann berichte ich euch, wie sich der OSM in puncto Neuheiten im Januar 2016 entwickelt hat.
Schaut doch einfach wieder rein.
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.