Rezensions-Blog 49: Zeitlabyrinth

Posted März 1st, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute gibt es mal ein vergnügliches Abenteuer der ganz besonderen Art zu le­sen, die mich immer wieder zum Schmunzeln bringt, wenn ich das Buch zur Hand nehme… und da ich den Roman wahrhaftig seit über 30 Jahren kenne, hat das einiges zu sagen. Auch, dass ich ihn bereits mehrere Male, jedes einzelne davon mit enormem Vergnügen, gelesen habe, spricht wohl für sich.

Bevor wir zum Roman selbst kommen und zu seinem Inhalt, sollte ich noch ein wenig vorab erzählen, was vielleicht nicht jedem meiner Freunde bzw. auch Le­sern dieses Blogs bekannt ist: Ich habe diesen Roman zweimal rezensiert, und die erste Rezension erschien im September 1985 in dem Fanzine ROMAN-POST 17 von Rudolf Wildner. Manch einer, der diesen Blog liest, wird hierdurch viel­leicht an alte Zeiten erinnert werden.

Zeitlabyrinth“ erschien in arg verkürzter Form damals als ein TERRA ASTRA-Roman, aber er wusste schon in der Form zu gefallen. Später, als ich dann die vorliegende Langfassung las (die eventuell immer noch gekürzt ist, da in der Fi­scher Orbit-Reihe stabile Seitenzahlen vorherrschten, was diesen Eindruck wohl unvermeidlich macht), steigerte sich mein Lesevergnügen durchaus noch. Und Keith Laumer stieg ganz unvermeidlich zu einem meiner damaligen Lieblingsau­toren auf, neben Marion Zimmer-Bradley, Robert E. Howard, Howard Phillips Lovecraft und Clark Ashton Smith, um nur mal die Phantasten darunter zu nen­nen.

Und ja, der Titel ist im Englischen ebenso passend wie im Deutschen. Ein ver­gnügliches, verwirrendes Garn voller unglaublicher Dialoge, bizarrer Zufälle und amüsanter Verwechslungen. Schaut einfach mal rein:

Zeitlabyrinth

(OT: Time Trap)

von Keith Laumer

Fischer Orbit 4

128 Seiten, TB

Februar 1972

Übersetzt von Birgit Reß-Bohusch

Roger Tyson ist wirklich nicht zu beneiden: erst bleibt der junge, erfolglose Prot­agonist dieses Romans mit seinem klapprigen Auto in einer sturm- und regen­durchpeitschten Nacht auf der Landstraße liegen, dann versucht er eine Motor­radfahrerin anzuhalten und verursacht einen tödlichen Unfall, und als ob das noch nicht genug wäre, beginnt er auf einmal die Stimme der Toten – einer bild­hübschen Agentin namens Q’nell – in seinem Ohr zu hören. Tja, und schließlich verursacht er den nächsten Unfall und ist verantwortlich für den Tod einer Mo­torrad fahrenden roten Riesenrübe…

Daraufhin glaubt sich nicht nur Roger Tyson im falschen Film, sondern zeitweise der Leser auch. Aber er bekommt überhaupt keine Chance zum Luftholen, denn all das ist erst der Beginn. Tyson, geleitet von der Stimme der Toten und verfolgt von intelligenten roten Riesenrüben, muss zu seinem großen Schrecken feststel­len, dass die Welt, wie er sie sich eigentlich vorstellte, dabei ist, auseinanderzu­fallen – in eine schier endlose Kette von Raumzeitkreisen, in denen sich alles kurz nach Mitternacht wieder in den Anfangszustand zurückbewegt und die Tage mithin niemals enden. Kühlschränke füllen sich wieder auf (mit immer denselben Nahrungsmitteln), abgeschnittene Blumenstängel und umgeschlage­ne Bäume kehren an ihren Ausgangspunkt zurück, und selbst Tote wachen am nächsten Morgen quicklebendig – und mit voller Erinnerung an den Tod – auf.

Dabei ist es offenkundig, dass der Zeitpunkt der Raumzeitkreise keine Rolle spielt. Roger wandert dabei genauso durch das Devonzeitalter wie durch das 19. Jahrhundert und die Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Und seine Ver­zweiflung wächst. Eigentlich wollte er doch nur einen neuen Job, und nun wird er unablässig verfolgt, von haarigen Affenmenschen verprügelt, beinahe er­schossen und von Granaten zerrissen – und überall folgt ihm diese unheimliche Runkelrübe.

Bis er versteht, dass dieses Zeitlabyrinth ein offenbar etwas aus dem Gleichge­wicht geratenes Museum der menschlichen Rasse ist, dauert es außerordent­lich lange. Doch das ist noch keine Lösung, die findet sich erst am Ende des Tun­nels und hat noch einige Schrecken für ihn parat…

Zeitlabyrinth ist ein Strudel von einem Roman. Wenn man einmal angefangen hat und neugierig geworden ist, saugt Laumer den Leser in die Geschichte hin­ein, die zwar manchmal oberflächlich und zum Ende hin etwas überdreht wird, aber stets durch enormen dialogischen Wortwitz besticht. Alleine die raschen Szenenblenden und ständigen Cliffhanger, die Tatsache, dass man nicht erken­nen kann, wohin er das nächste Mal springt, macht den Roman überaus reizvoll. Vergnügliches, köstliches Lesefutter für zwei oder drei Stunden (aber so lang braucht man dafür eigentlich nicht). Und wenn man nach fünfzehn Jahren – wie ich – den Roman das zweite Mal liest, ist er nach wie vor ein spritziges Vergnü­gen, hinter dem man die Welt wohlig versinken lassen kann, wenn man gefrus­tet ist.

Kleinere Schnitzer bei der im übrigen ausgezeichneten Übersetzung schaden gar nicht. Es verstärkt sogar das Schmunzeln im Leser, wenn man registriert, dass Birgit Reß-Bohusch so in Action war, dass sie den New Yorker Central-Park als „Zentralpark“ übersetzte. Wen kümmert’s? Auch das völlig unpassende Titel­bild, das wohl nur den SF-Charakter des Buches illustrieren sollte, kann man ge­trost ignorieren. Übrigens: es gab mal eine gräulich gekürzte Ausgabe dieses Romans (gleicher Titel) bei TERRA ASTRA. Das Cover, ebenfalls von Eddy Jones, war indes auf den Inhalt bezogen. Sehr frei zwar, aber zumindest zutreffender. Dieser Heftroman war meine allererste Begegnung mit Laumer, die zweite kam dann 1988 und wurde zu einer heißen, innigen Liebe zu den wahnwitzigen Ro­manen dieses leider schon verstorbenen Schriftstellers.

Wenn ihr also einfach mal ablachen möchtet, Freunde, sucht das Buch, lest es – und liebt Laumer. Er lohnt ernsthaft eine Wiederentdeckung.

© by Uwe Lammers, 2003

Allerdings – eine Wiederentdeckung lohnt Keith Laumer unbedingt (das sagte ich schon im Wochen-Blog 4, wo ich „Diplomat der Grenzwelten“ vorstellte). Eben, als ich das Buch noch mal zur Hand nahm, um den noch fehlenden Origi­naltitel nachzuschlagen, den ich 2003 bei der Rezension einzufügen vergaß, da juckte es mich schon wieder in den Fingern.

Inwiefern? Insofern: den Roman nach 12 Jahren endlich mal wieder zu lesen. Aber ich schiebe das Vergnügen noch ein paar Wochen auf. Ihr könnt allerdings völlig überzeugt sein, dass ich in der näheren Zukunft noch den einen oder an­deren Laumer-Roman für euch rezensieren werde, auf dass ihr noch ein paar solche amüsanten Leckerbissen vorfindet. Es kann ja nicht immer nur gehalts­schwere Kost geben, nicht wahr?

In der nächsten Woche, sozusagen zum Jubiläum des 50. Blogartikels, stelle ich euch dann eine weitere gute Freundin vor, deren Romane ich mit Begeisterung verschlinge und die inzwischen sogar höchst erfolgreich verfilmt wird. Nein, nein, nicht George R. R. Martin… achtet doch mal auf das Geschlecht, meine lie­ben Freunde! Ich gebe euch einfach mal einen kleinen Tipp zum Neugierig wer­den: schon mal den Namen Claire Beauchamp Randall Fraser vernommen?

Na, wer jetzt aufhorcht, ist nächste Woche gewiss dabei. Wer ratlos schaut, soll­te den nächsten Rezensions-Blog dennoch nicht versäumen. Er bzw. sie könnte da ein sehr packendes Buch und eine spannende Autorin verpassen…

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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