Liebe Freunde des OSM,
heute weilen wir also zum letzten Mal in der Abenteuerwelt des Adepten Sir Adam Sinclair. Und leider ist es eine Rezension, die ich der Vollständigkeit halber an die ersten beiden anhängen muss – kann man nicht anders sagen, weil es sich eben gerade nicht um eine allzu positiv beurteilende Besprechung handelt.
Wer den Zyklus schon kennt, wird das sicherlich verstehen (es sei denn, er oder sie war/ist notorischer Fan dieser Art von Geschichten oder der Autorin Katherine Kurtz und ihres Camber-Zyklus, dann mag die Bewertung dieses Buches deutlich anders ausfallen). Mich jedenfalls hat der vorliegende Schlussband des Zyklus dann doch herb enttäuscht, und so kennt ihr mich, Freunde, wenn es sich so verhält, dann mache ich daraus auch kein Geheimnis.
Wer also unverdrossen wissen möchte, wie es weitergeht mit Sinclairs Abenteuern, der schaue nun genauer hin:
Der Schatz der Templer
(OT: The Templar Treasure)
von Katherine Kurtz & Deborah Turner Harris
Heyne 9024, 1999
416 Seiten, TB
ISBN 3-453-14934-3
Aus dem Amerikanischen von Michael Morgental
Es sieht nach einem gewöhnlichen Einbruchdiebstahl mit schwerer Körperverletzung aus – in York wird in den Haushalt von Professor Nathan Fiennes eingebrochen. Neben Juwelen entwenden die Diebe aber auch ein jahrtausendealtes Artefakt, ein Siegel, das angeblich im Besitz von König Salomon gewesen ist. Der alte jüdische Professor kann, bevor er ins Koma sinkt, nur noch flehentlich darum bitten, dass sein alter Freund Sir Adam Sinclair das Siegel wiederbeschaffen solle, um jeden Preis – anderenfalls drohe schreckliches Unheil.
Adam Sinclair, der Psychiater aus Schottland, der als Lebemann und insgeheim als astraler Adept im Dienst des LICHTS dafür sorgt, dass verbrecherische magische Talente und Dilettanten ihrer gerechten Strafe überantwortet werden, kommt diesem Wunsch nach und erfährt, als er Nathan vor dessen Tod noch befragen kann, Bestürzendes: das Siegel gehörte in der Tat dem jüdischen König Salomon. Aber damit nicht genug – es ist der Schlüssel zu einem Schatz, der in den Besitz des Ritterordens der Templer überging, der im 14. Jahrhundert vom französischen König zerschlagen wurde. Die Schätze des Ordens wurden allerdings mehrheitlich nicht gefunden. Der Dieb scheint von der Vision besessen zu sein, er sei die Reinkarnation eines früheren Feindes der Templer, der mithin einen guten Grund hätte, sich dieses Geheimnisses zu bedienen, um am Ende doch noch siegreich über die Templer zu triumphieren.
Zwar kristallisiert sich bald heraus, wer der Dieb des Siegels war, doch alle polizeilichen Ermittlungen, ihn ausfindig zu machen, für die Adam seinen guten Freund Noel McLeod einspannt, bleiben erfolglos. Also müssen die Freunde, zu denen sich auch der Zeichner und Seher Peregrine Lovat gesellt, das Pferd von der anderen Seite aufzäumen. Während der Dieb den direkten Weg zu gehen versucht, begeben sich Adam und seine Gefährten auf die Suche nach anderen Indizien, was sie unter anderem in Kontakt mit den gegenwärtigen Erben der Tempelritter geraten lässt.
Die ersten Spuren zu diesem Weg finden sich in Fiennes´ Nachlass. Sie führen, irritierend genug, in die Zeit des jakobitischen Aufstandes, also ins 17. Jahrhundert, hin zu einem berühmten schottischen Nationalhelden und dessen Grabstätte. Und schließlich über Geister, Schlösser und verfluchte Seelen hin zu einer goldenen Truhe, in der ein furchtbarer Schatz ganz besonderer Art lauert…
Der dritte Band des Zyklus ist, soweit ich weiß, der letzte, der in Deutschland publiziert wurde. Das im Vorsatzblatt gemachte Versprechen „Weitere Bände in Vorbereitung“ wurde nie eingelöst. Vielleicht sollte man angesichts dieses Buches glücklich darüber sein. Das mag jetzt überraschen. Angesichts meiner Begeisterung bei der Lektüre des ersten und zweiten Romans des Adepten-Zyklus ist diese Bemerkung sicherlich erklärungsbedürftig. Dies ist die Erklärung:
Wir entsinnen uns, dass in Teil 1 und 2 der zum Teil mit sehr harten Bandagen ausgetragene Kampf mit der astralen Dunkelloge der Luchse stattfand und am Schluss des zweiten Bandes einige Mitglieder entkamen.1 Man konnte also mit Fug und Recht darauf hoffen, im dritten Band den Schluss der Abenteuer mit der „Loge der Luchse“ zu erleben. Dieses Versprechen wurde nicht umgesetzt. Und es wurde noch weitaus mehr versäumt.
Nahmen die Leser am Ende des letzten Romans an, im dritten Band könne man unter Umständen eine Doppelhochzeit feiern (Adam Sinclair mit seinem neuen Schwarm Ximena Lockhart, Peregrine Lovat mit seiner Julia), so hat sich Ximena in diesem Band bis auf ernüchternde Bemerkungen hin völlig verflüchtigt, was auf die romantische Stimmung etwa so wirkt wie ein Kübel Eiswasser und den Leser sehr enttäuscht zurücklässt. Inspector McLeod verliert nahezu alle Autonomie, die ihm im letzten Roman gegeben wurde und wird fast zum reinen Statisten degradiert. Ähnliches widerfährt Peregrine. Die ganze Handlung des Romans liest sich zudem über Hunderte von Seiten hinweg wie eine sehr unterkühlte Neuauflage des ersten Romans, ohne allerdings auch nur entfernt an diesen heranreichen zu können. Gewiss, unterhaltsam und gut lesbar ist es nach wie vor, aber viele Überraschungen kann man darin nicht entdecken. Die meisten Wendungen sind sehr durchsichtig und früh vorher zu ahnen.
Konsequent kann dieses Buch die Begeisterung des Lesers, dessen Ansprüche im Laufe des Zyklus stetig gestiegen sind, nicht allzu gut befriedigen. Ein paar nette magische Spielereien, ein wenig mystifizierender Zauber, die alte Tempelrittergeschichte und König Salomons höchstpersönliche Gegenwart im Roman sind lieb und nett, aber nicht hinreichend. Der Schluss des Romans kann letztlich überhaupt nicht mehr überzeugen – warum, fragt man sich, wenn man kopfschüttelnd das Buch schließt, warum hat denn wohl, bitte schön, niemand vorher die Sache SO gelöst? Weder König Salomon noch die Tempelritter? Der Schluss ist offensichtlicher Unfug und kommt als außerordentliche Verlegenheitslösung herüber, wie das gesamte Buch etwas improvisiert wirkt.
Es mag gut sein, dass der Zyklus auf mehr Bände angelegt war und dieser Band sozusagen als „Verzögerungsbremse“ eingefügt wurde. Doch das spürt man dann leider sehr deutlich. Und da nie weitere Romane aus dem Zyklus erschienen, verdunstet die anfängliche Begeisterung für diese magisch-historische Parallelwelt schon während des Lesens dieses Buches.
Dies ist dann wirklich das Ende des Zyklus um Sir Adam Sinclair, und leider muss man sagen: es ist gut, dass es vorbei ist. Schließen wir das Kapitel des Adepten und kümmern uns nicht mehr um die flüchtigen „Luchse“. Mögen sie in Amerika weiter wüten…
© by Uwe Lammers, 2008
In der nächsten Woche kümmern wir uns um etwas biografisch-zeitgenössisches Kolorit. Was ihr darunter genau zu verstehen habt? Lasst euch überraschen und schaut am kommenden Mittwoch wieder rein. Ich freue mich auf euch!
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.
1 Vgl. Katherine Kurtz & Deborah Turner Harris: „Der Adept“ und „Die Loge der Luchse“, beide 1999.