Liebe Freunde des OSM,
Griechenland… Griechenland und noch mal Griechenland… wir kennen das aus den Nachrichten heutzutage zur Genüge, und die meisten Leser dieser Kolumne mögen jetzt vielleicht lange Gesichter ziehen und meinen: Oh Gott, jetzt kommt uns der Uwe auch noch mit Griechenland? Das kann doch nicht sein Ernst sein! Wir schalten doch schon beim Radio und Fernsehen ab, wenn es um das Thema geht… ja, Freunde, das mag sein. Aber hier haben wir etwas anderes vor uns. Hier geht es um das ALTE Griechenland.
Bedenkt bitte, falls ihr mich nur als Autor des Oki Stanwer Mythos (OSM) im Kopf haben solltet, dass ich von der Ausbildung her Historiker bin, und eine große Leidenschaft, die sich auch in meiner Lektüre ausdrückt, gilt den antiken Hochkulturen. Da kann man natürlich die Griechen nicht auslassen, das werdet ihr verstehen. Es wird darüber im Laufe der kommenden Jahre sicherlich noch das eine oder andere faszinierende Buch zum Vorstellen geben. Heute fangen wir mal mit einer Aufwärmübung in der Hinsicht an.
Wie schaut das aus? Nun, eben so, wie pfiffige Historiker sich bemühen, die griechische Antike in Form eines Jugendbuches aufzuziehen. Und, noch witziger, in Form einer antiken ZEITUNG. Als ich dieses Buch entdeckte, fand ich den Ansatz wirklich bemerkenswert und durchaus reizvoll. Ein Crossover zwischen sachlicher Informationsvermittlung einerseits und lockerer Zeitungslektüre andererseits, und das alles auf die Lesergruppe von Jugendlichen zugeschnitten… das lag jenseits des mir sonst zugänglichen Mainstreams, und ich stürzte mich neugierig in das vom Kinderbuchverlag Luzern veröffentlichte kleine Abenteuer.
Um es vorwegzunehmen: bereut habe ich das nicht. Wenn man bereit ist, historische Abstriche zu machen und sich mit dem Witz der Darstellung anzufreunden bereit ist, erwartet den Leser ein wirklich kurzweiliges Lesevergnügen, in das man sogar seine eigenen Kinder – oder eben auch die Kinder von Freunden, Verwandten und Bekannten einbeziehen kann, wenn man selbst keine besitzt.
Die griechische Zeitung
(OT: The Greek News)
von Anton Powell und Philip Steele
Kinderbuchverlag (kbv) Luzern
36 Seiten, gebunden, 1998
Übersetzt von Christa Holtei
Was wisst ihr von Griechenland? Das ist jetzt eine Frage an Nichthistoriker, okay?
Akropolis. Alexander der Große. Zeus. Olle Tempel, vielleicht habt ihr noch was von den Perserkriegen in der Schule mitbekommen und von so einem Typen, der so dumm war, lieber Gift zu schlucken, anstatt das Weite zu suchen. Wie war doch noch sein Name…? Ach ja, Sokrates.
Aber einen Zusammenhang zwischen all dem herzustellen, das dürfte schon kniffliger sein. Es ist halt wie meist mit Geschichte: man hat so ein Flickwerk von Informationen im Kopf, die mehr verwirren als erhellen. In diese unausgegorenen Gedanken greift dieses Buch hilfreich ein.
„Die griechische Zeitung“ bemüht sich, allgemeinverständlich, unterhaltsam und sehr kurzweilig – kein Beitrag ist länger als anderthalb Seiten – die Geschichte des antiken Griechenland zwischen 800 vor Christus und 300 vor Christus aufzuarbeiten. Im Gegensatz zu anderen Werken dieser Reihe (etwa „Die ägyptische Zeitung“ oder „Die Entdecker-Zeitung“) gelingt das sogar recht ordentlich. Der zeitliche Rahmen ist halbwegs überschaubar, und es gibt viiiiel Quellenmaterial, inklusive Bildquellen.
Mehrere schöne Karten machen sowohl die Binnengliederung Griechenlands wie die Struktur des Mittelmeeres und des späteren Alexanderreiches plastisch erkennbar. Der Bereich „Inland“ der Zeitung ist chronologisch aufgebaut und führt bis hin zum Ende des Alexanderreiches. Damit endet freilich – vor der Zeit, wie Althistoriker kritisieren mögen – jene Epoche, die hier als „griechisch“ eingestuft wird. Die Diadochenreiche werden also nicht mehr beleuchtet.
Dafür fehlt freilich auch der Platz. Es gilt doch schließlich, noch ein wenig auf andere Themen zu kommen. Als da wären:
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Die vergnügliche Umfrage, was ein idealer Grieche ist.
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Tipps, wie man ein guter Redner wird.
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Kriegsausbildung und -technik von Kindesbeinen an.
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Ein ausführlicher Exkurs zu Sparta.
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Handel, Politik und Alltagsleben.
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Olympische Spiele, Sklavenhandel und Frauenrechte.
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Was tun, wenn einem die Götter zürnen? Und welche Götter gibt es überhaupt?
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Theater und Arztkunst.
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Wie verhält man sich auf einem Fest?
Und vieles mehr… schön bebildert und durchaus an vielen Stellen humorvoll anekdotisch gewürzt, erweist sich dieses Buch als bisweilen amüsante Fundgrube, die auch das mehrfache Durchblättern, Schmunzeln und Lernen lohnend macht.
Gewiss – der Fachhistoriker hätte daran einiges auszusetzen. Aber die Herausgeber sind ja nicht völlig unkundig. Es gibt zum Schluss beispielsweise den hilfreichen Hinweis, dass die Datumsangaben, die durchgängig mit „vor Christus“ versehen wurden, streng genommen unzutreffend sind, denn „die Griechen hatten eine andere Zeitrechnung“.
Das gilt auch für die Länder, die auf Karten Erwähnung finden. „Gold aus der Türkei“, heißt es so an einer Stelle oder „Teppiche aus Tunesien“. Der Historiker wird sich auch daran stoßen. Die Herausgeber und Übersetzer merken am Schluss deshalb an: „In diesem Buch werden viele Ländernamen so benutzt, wie wir sie heute kennen… Die antiken Griechen hatten andere Ländernamen.“
Natürlich wäre es schön gewesen, die nun auch noch zu erfahren. Aber vergessen wir nicht, dass es sich um ein Kinderbuch handelt. Wenn der Leser oder die Leserin über dieses Buch hinaus noch neugierig geworden sein sollte, und das ist durchaus möglich, dann kann dies ja der Dorn sein, der die Neugierde anspornt.
Wer nun Griechenland eher mit Troja, dem Trojanischen Krieg, Heinrich Schliemann und ähnlichem in Verbindung bringt, der wird wohl warten müssen, bis der Verlag in dieser Reihe auch noch eine „mykenische Zeitung“ herausbringt. Denn bekanntlich – für uns althistorisch Versierte – ist diese Zeit vor 800 vor Christus anzusiedeln. Und auch, wer erfahren möchte, wie die Römer schließlich die griechischen Poleis vereinnahmten oder wie es sich nun genau mit dem Grund für den Aufstand der griechischen Städte in Kleinasien gegen die Perser verhielt, wird hier vergebens schürfen. Dies sind die Grenzen der „griechischen Zeitung“. Auch merkt man diese Grenzen bei einer Illustration zu einer Sklavenauktion, wo eine Sklavin im hochgeschlossenen Kleid versteigert wird… eine äußerst unwahrscheinliche Sache. Aber wir wissen ja, dass im heutigen Amerika das Darstellen nackter weiblicher Brüste schon skandalträchtig ist. Zu erkennen, dass sogar Kinderbücher diesbezüglich zensiert werden, ist freilich ein wenig ernüchternd.
Ausgesprochen kundig und gefällig sind jedoch die meisten restlichen Illustrationen, und das Register am Schluss des Bandes ist ausgezeichnet zum gezielten Nachschlagen. Alles in allem handelt es sich daher um eine solide Arbeit, die Neugierde und Fragen weckt und meiner Ansicht nach durchaus geeignet ist, in Kindern das Interesse an der Geschichte wachzurufen.
© by Uwe Lammers, 2005
Appetit geweckt? Ich hoffe doch sehr… zwar kann man das Buch höchstwahrscheinlich nur noch antiquarisch finden, aber ich bin der Auffassung, dass sich das durchaus lohnen dürfte. In der nächsten Woche ist dann wieder Schluss mit lustig, dann geht es etwas härter zur Sache. Inwiefern? Schaut einfach kommenden Mittwoch wieder rein, dann wisst ihr Bescheid.
Bis dann, meine Freunde!
Euer Uwe.