Liebe Freunde des OSM,

wer von euch selbst schon mal Lesungen gehalten hat, kennt sicherlich das Ge­fühl, das man zuvor hat: Nervosität, vielleicht unruhiger Magen, Schweißaus­brüche, das unsichere Wabern des Gedankens, ob man denn wohl auch alles bedacht und nichts vergessen hat. Es kann eine Menge schief gehen. Und selbst wenn dem Referenten vorab von Freunden und Bekannten versichert wird, dass das Publikum ihn gewiss nicht zu verspeisen trachtet, kann man sich doch, wenn man nicht ein ohnehin sehr offensiver Typ ist, von einem gewissen Anflug von Beklommenheit nicht freimachen.

Tja, Freunde, und so geht es mir gerade eben, während ich diese Zeilen am 8. Oktober 2014 schreibe. Direkt ein paar Stunden vor meiner ersten Lesung im malerischen Ort Dettum bei Wolfenbüttel bin ich zwar sicher, alles Erdenkliche bedacht zu haben, aber sicher sein kann ich mir erst, wenn der Event erfolg­reich über die Bühne gegangen ist.

Was tut man solange, um seine Nerven zu beruhigen?

Ich habe noch ein Weilchen an meinem Manuskript gefeilt, aber das macht na­türlich nur noch nervöser. Und dann überlegte ich: schon lange keinen Blogarti­kel mehr geschrieben. Schau doch mal nach, ob du da nicht was Interessantes findest, was deine Gedanken völlig ablenkt…

Gesagt – getan. Und da war tatsächlich etwas, eine kleine Notiz, die ich mir ge­macht hatte, als ich das handschriftliche Glossar für den KONFLIKT 15 „Oki Stan­wer“ (alias OSNEU) bearbeitete. Folgt mir für ein paar launige Minuten in die Vergangenheit des Oki Stanwer Mythos, meine Freunde, auf dass ihr sehen könnt, wie ich so argumentativ drauf war, als der OSM noch in den bescheide­nen dreistelligen Ziffernbereichen unterwegs war:

Wir schreiben das Jahr 1983, und ich gehe noch zur Gifhorner Realschule, unsi­cher des Schulabschlusses, der annähernd zwei Jahre in der Zukunft liegt. Und dennoch arbeite ich eifrig und voller Elan am OSM, derweil ich parallel dazu Heftromane verschlinge und höchst sprunghafte Geschichten schreibe. Ambi­tioniert war ich schon damals, aber wie ihr gleich sehen werdet, hielt das, was ich schrieb, stilistisch beim besten Willen nicht Schritt mit den hochfliegenden Plänen.

Ich befand mich in der Galaxis Milchstraße des KONFLIKTS 15. Ende des stella­ren Jahres 7476 irdischer Zeitrechnung näherte sich mit großen Schritten das Verhängnis – die „Schlacht im Nebelsektor“ drohte, und sowohl Oki Stanwer sammelte seine Streitmacht als auch TOTAM, die Macht des Bösen, die mit ih­ren Dämonen dafür sorgte, dass die taktischen Vorteile der Allianz um Oki Stan­wer immer wieder Rückschläge erlitten.

Der Verräter-Dämon Zomar hatte sich allerdings auf Oki Stanwers Seite ge­schlagen und empfing nun an Bord seines Flaggschiffs, das wenig einfallsreich auf den Namen ZOMBIE II hörte, Funksignale, die aus einer kosmischen Wolke stammten. Und damit sind wir im Zentrum des Geschehens. Vorhang auf für Band 82 der Serie „Oki Stanwer“, „Die kosmische Wolke“. Ort der Handlung: Die Hauptleitzentrale der ZOMBIE II, zunächst der Funkspruch:

Wir, die All-Hüter, rufen unsere Flotten. Sammelt euch und kämpft. Dies ist der Befehl von Z-NULL!“

All-Hüter!

Z-NULL!

Diese Begriffe weckten etwas in Zomar, sie schienen bekannt, aber er konnte sich nicht entsinnen, wo er sie schon einmal gehört hatte.

Wir steuern den Sender an“, befahl er.

Kommandos schallten durch die Zentrale.

Dreizehn Grad backbord.“

Sektor Rot 33:00:24.“

Entfernung: 7,328 Lichtjahre.“

Sonder-Vektorierung auf 81/5.“

Zomar sah, wie das Schiff leicht abkippte.

Die Sternbilder veränderten sich.

Emissionator eingeschaltet.“

TOTAM-Energie auf 2, leicht steigern.“

Kristall-Bündeler dazwischengeschaltet.“

Phase 1.“

Donnernd erwachten die Konverter. Brüllend liefen die Kraftwerke an, lieferten Energie. Aus den Triebwerksdüsen schossen schwarze Strahlen. Wie Säure fra­ßen sie im Weltengefüge. Bald war kein Flug mit TOTAM-Triebwerken mehr möglich.

Phase 7“, brüllte ein Totenkopf.

Energie“, schrie ein anderer…

An dieser Stelle der Abschrift musste ich dann wirklich kichern. Abgesehen da­von, dass manche der obigen „Kommandos“ wirklich abstrus sind und keinerlei Sinn ergeben, weil eben semantische Schaumschlägerei a la „Ren Dhark“ (die Heftromanserie aus den 60ern, die ich damals mit Begeisterung las, war voll von solchem „Technobabbel“ und „Kommandoton“), war besonders das letzte Kommando aus der Distanz von 22 Schreibjahren witzig.

Ich schrieb diese Episode am 16. März 2005 ab und kommentierte sie, und die Fußnote Nr. 2724, die ich hinter dem letzten zitierten Satz machte, möchte ich euch an dieser Stelle nicht vorenthalten: „Hier muss ich unwillkürlich an einen adrett gekleideten, nahezu kahlköpfigen Mann auf einer geräumigen Raum­schiffbrücke denken, der den Arm hebt und energisch sagt: „Energie!“ Guten Tag, Captain Picard von der USS ENTERPRISE. Ich bin verdutzt, Sie zu sehen – Jahre, bevor die Serie überhaupt geschaffen wird…“

Gemeint ist damit natürlich die Serie „Star Trek Next Generations“, denn die Roddenberry-Classic-Serie gab es selbstverständlich schon lange.

Noch ein kurzes Zitat, etwas später in derselben Episode:

Das TOTAM-Kampfschiff kam direkt in einer Wasserstoffwolke wieder heraus.

Der eine Totenkopf am Feuerleitpult sagte: „Das Signal ist wieder 7,4 Lichtjahre entfernt.“

Zomar stutzte.

Nicht, weil der Weltraum um sie bläulich glühte, sondern weil es ihm schien, dass sie an der Nase herumgeführt wurden.

Er musste lachen.

Dämonen hatten keine Nasen…

Wenn man mal von der Frage absieht, warum ein Totenkopf an dem Feuerleit­pult (!) auf einmal Ortungsdaten von sich gibt – man erwartet so etwas eigent­lich vom Ortungspult – , ist auch die Vorstellung eines lachenden Dämons, der wegen eines albernen Gedankenanflugs in unmotiviert scheinendes Gelächter ausbricht, einigermaßen kindisch.

Der OSM in der damaligen Zeit wimmelt von solchen unreifen, närrischen Sze­nen, falschen Satzbezügen, manchmal grotesker Übertreibung und unausgego­rener Handlungslogik. Beim Abschreiben, ich habe das schon wiederholt er­zählt, kann man darum auf seltsame Stilblüten und unfreiwillige Komik stoßen, die ich damals komplett bierernst nahm.

Ich glaube, Mitte der 80er Jahre war ich ein recht überhitzter, reizbarer Schrei­berling mit recht ungehobelten Manieren. Wenn ich mir seltene Briefkopien aus jenen Jahren anschaue, dann frage ich mich wirklich, wie meine Brieffreunde damals Freude daran empfinden konnten, mit mir in Kontakt zu sein. So brüsk und rigide war ich einst in mancherlei Punkten, sturköpfig und sehr von mir selbst eingenommen. Da habe ich doch seither einen weiten Weg der Selbster­kenntnis zurückgelegt und eine Menge an Bescheidenheit und Realitätssinn dazugewonnen.

Dennoch gehören natürlich auch solche abenteuerlichen, unreifen Werke zu meinem Schaffensprozess hinzu. Und so sehr sie auch mitunter plagiierenden Charakter tragen mögen, so waren sie doch auf der anderen Seite für meine kreative Entwicklung vonnöten. Ich schrieb schon gelegentlich, dass ich in der Frühzeit meiner Kreativität viele Elemente von Film, Fernsehen und Lektüre übernahm, solange mir die eigenen Worte fehlten. Diese Phase macht wohl je­der Literat am Beginn seiner Karriere durch.

In früheren Zeiten richteten sich die beginnenden Autoren an den Dichtern und Denkern der deutschen Klassik aus oder an den antiken Vorbildern, später ka­men dann – namentlich in der Phantastik – die Anleihen an die angloamerikani­schen Serien und Romane hinzu. Es hat lange gedauert, bis hier eigene Gewäch­se entstanden, die sich dann von ideellen Vorbildern freischwimmen konnten. Als prominentestes Beispiel, das bis heute erfolgreich seine Marktstellung be­hauptet, ist vermutlich die Perry Rhodan-Serie zu nennen.

Ob der Oki Stanwer Mythos dereinst auch das Potential besitzt, innovativen, prägenden Charakter in der modernen Phantastik zu entfalten, hängt stark da­von ab, ob und wie lange es mir gelingt, diese Werke an euch Leser zu vermit­teln. Wenn ihr dies lest, geht die Publikation des Oki Stanwer Mythos im E-Book in das dritte Jahr… und ich bin zuversichtlich, was die Zukunft angeht.

Soviel soll für den Moment genügen. Wir lesen uns hoffentlich dann in der kom­menden Woche an dieser Stelle wieder. Was ich euch dann erzählen werde? Na, ich würde sagen – lasst euch mal überraschen und schaut wieder herein!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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